Kanutour Yukon

Yukon Kanutrip

Am Sonntag den 11. Juni hat uns mein Bruder Philipp in Whitehorse, der Hauptstadt des Yukon Territory besucht, um mit uns 5 Wochen durch Alaska zu reisen. Zuvor wollten wir uns aber für fünf Tage auf das Abenteuer Flusswandern auf dem Yukon einlassen. Ich wollte mich schon lange einmal, nur mit dem Nötigsten ausgerüstet, in die Wildnis begeben und wo kann man diese Erfahrung authentischer durchleben als in den unendlichen, menschenleeren Weiten Nordwest Kanadas. Also machten wir uns auf die Suche nach einem Anbieter, der uns Kanu und sonstige Ausrüstung, die man nicht einfach so mit dabei hat, verleiht. Schnell sind wir bei Up North Adventures hängen geblieben, die vom reinen Verleih, über geführte Kanutouren bis hin zu Fly-in Adventures (also das Absetzen mitten im Nirgendwo per Flugzeug oder Heli) so ziemlich alles anbieten, was das Abenteurerherz höher schlagen lässt. Also stellten wir uns, zusammen mit den Leuten von Up North, eine für unseren Zeitraum passende Tour zusammen incl. Transfer von Whitehorse zu unserem Startpunkt und vom Endpunkt unserer Tour zurück nach Whitehorse. Natürlich hätten wir auch direkt von Whitehorse aus starten können, hätten dann aber den ca. 50 km langen Lake Laberge komplett durchqueren müssen, der für seine plötzlichen Wetterwechsel und zu dieser Jahreszeit recht starken Winde bekannt ist. Eine Durchquerung dieses Sees dauert bei guten Bedingungen mindestens zwei Tage, bei schlechtem Wetter können daraus auch gut und gerne mal 4-5 Tage werden. Daher entschieden wir uns dazu, den See mittels Wassertaxi zu durchqueren und uns am Ende des Sees wieder absetzen zu lassen. Ansonsten wären unsere angepeilten 5 Tage nicht zu halten gewesen. Da Jakob und Julia während unserer Tour in Whitehorse auf uns warteten, wollten wir nicht länger als eben diese 5 Tage unterwegs sein.
Zunächst ging es nach der Ankunft von Philipp erst mal ans Packen. Minimalismus hieß hier das Zauberwort, musste ja alles in den vorhandenen wasserdichten Packsäcken Platz finden. Dabei waren zwei Packsäcke bereits durch essentielle Dinge wie Zelt, Isomatten und Schlafsäcken belegt. Unsere Wechselklamotten fanden in einem weiteren dry-bag Platz. Blieb noch ein wasserdichter Rucksack und eine wasserdichte Ortlieb Reisetasche für die restlichen Dinge, wie Kocher, Gaskartuschen, Kochgeschirr, Besteck, Tassen, Hygieneartikel, Leatherman, Wasserfilter, Erste-Hilfe-Set und natürlich unsere Verpflegung für die nächsten 5 Tage. Hier beschränkten wir uns auf einen bunten Mix aus gefriergetrockneten ganzen Mahlzeiten, Instant-Tütensuppen, Äpfeln, Müsliriegeln, Müsli, Milchpulver, aus Deutschland mitgebrachten Gummibärchen und Keksen. Von einem deutschen Ehepaar haben wir noch ein Glas Instantkaffee geschenkt bekommen, der natürlich auch in die Vorratstasche wanderte. Damit waren unsere Taschenkapazitäten ausgereizt und wir sahen uns irgendwo zwischen Vorfreude und der Befürchtung etwas Essentielles vergessen zu haben. Während der Tour mal kurz zum nächsten Wallmart zu gehen - eher nicht. Aber trotzdem fühlten wir uns ganz gut vorbereitet.
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Von Up-North bekamen wir zu Kanu und Paddeln noch ein Bear-Keg, ein wasserdichtes 30L Fass, und einen 20L Wasserkanister gestellt. Zusätzlich wanderte noch ein Satelitentelefon in unsere Ausrüstung. Handyempfang ist während der nächsten Tage ein Fremdwort. Da hilft solch ein Gadget im Falle der Fälle ungemein, auch wenn wir uns vorgenommen haben es nicht wirklich nutzen zu wollen. Unsere gesamte Ausrüstung wanderte zunächst auf die Ladefläche eines Pick-Ups und von dort weiter auf ein Motorboot, welches uns in wenigen Stunden über den Lake Laberge bist zum Start unserer eigentlichen Tour bringen sollte. Dort hieß es dann Ausrüstung und Kanu ausladen - und plötzllich waren wir mit unserem Berg an Packsäcken und Taschen alleine. Mitten in der Wildnis. Keine Straße in der Nähe und keine Menschenseele weit und breit. Nur die Gewissheit, dass wir uns ab jetzt in Bärengebiet befinden.
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Nachdem wir unsere Ausrüstung im Kanu verstaut hatten, wurde noch einmal die Route für heute festgelegt und die markantesten Fixpunkte gecheckt (nicht dass wir noch an unserem auserkorenen Nachtlager vorbeifahren würden). Danach machten wir uns auf den Weg den Yukon flussabwärts. Kanu sind wir beide früher schon viel gefahren, daher haben wir uns schnell mit unserem Lastenesel angefreundet, auch wenn das Boot durch die Zuladung doch etwas tiefer im Wasser lag und sich dadurch etwas schwerfällig manövrieren ließ. Was für ein einmaliges Gefühl. Nur wir, unser Kanu, der Fluss und die umgebende Wildnis. Gleich nach der ersten Kurve saßen zwei Weißkopfseeadler in den Bäumen am Ufer und beobachteten uns skeptisch. Die heutige Strecke führte uns nur rund 20 km weit und auf einer kleinen Insel im Fluss wollten wir unser Nachtlager aufschlagen. Beim Erkunden der Insel dann die Überraschung. Hier gab es ein richtiges Camp, mit Feuerringen, Picknicktischen und Outhouse. Ein Platz für das Zelt war auch schnell gefunden und so begann für uns der erste Abend im Freien. Sonst hatten wir immer den Komfort unserer Dori, mit Toilette, Dusche, richtigem Bett, Küche, Kühlschrank, einer gemütlichen Sitzecke, fließend Wasser und einer Heizung. Auf die meisten dieser Dinge mussten wir nun verzichten. Ok, im weitesten Sinne hatten wir fließendes Wasser im Überfluss, aber sonst hatten wir nur die absoluten Basics zur Verfügung. Das Zelt hatten wir relativ schnell aufgebaut, die Isomatten und Schlafsäcke waren kurz danach bereit gemacht. Auf dem Gaskocher köchelte unser Abendessen, der Yukon floss leise gurgelnd an uns vorbei und das Lagerfeuer sollte die Mücken in Schach halten. (Das Mückenspray hat dann doch den besseren Job gemacht) So hatten wir uns das vorgestellt.
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Nach unserem bescheidenen Abendessen musste das Camp bärensicher gemacht werden. Auch wenn wir uns auf einer Insel befanden, wollten wir nicht riskieren Meister Petz auf uns aufmerksam zu machen. Alle offenen Lebensmittel, wie Äpfel, Müsliriegel, Gummibärchen, Müsli fürs Frühstück, Kekse und Milchpulver verstauten wir im Bear-Keg, der Rest wanderte ins Fass, zusammen mit Kocher, Kochgeschirr, Besteck, Schüsseln und Spülmittel. All das musste nun so weit wie möglich vom Camp entfernt deponiert werden, am besten 4 Meter über dem Boden. Wir gaben unser Bestes und finden, wir haben unsere Sache ganz gut gemacht. Jedenfalls sah unser Camp am nächsten Morgen noch genau so aus wie am Abend zuvor und unsere Vorräte waren auch noch alle da.
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Es ist ja jetzt schon einige Zeit her, seit ich das letzte Mal im Zelt übernachtet habe, aber ich muss schon sagen, dass die modernen Isomatten, wirklich einen äußerst guten Schlafkomfort bieten. Was etwas ungewohnt war, war die Tatsache, dass es so weit im Norden nachts nicht mehr richtig dunkel wird. Die Sonne geht maximal für zwei Stunden unter. Zwischen Sonnenauf- und Sonnenuntergang bleibt eine schummrige Dämmerung übrig, die die Nacht fern hält. Im Zelt verliert man dadurch jegliches Zeitgefühl und eine Einschätzung wie lange man schon geschlafen hat, ist praktisch nicht möglich. Trotzdem haben wir ganz gut geschlafen, auch wenn die Nacht empfindlich kalt wurde. Die Schlafsäcke hatten alle Hände voll zu tun uns warm zu halten und für die nächste Nacht haben wir beide uns vorgenommen die Schichtdicke an Kleidung dzu erhöhen.
Der Morgen begann damit, unsere Vorräte vom Baum zu "pflücken" und mit einem einfachen Frühstück, die nächste Etappe in Angriff zu nehmen. Nachdem das Zelt abgebaut war, die Isomatten und Schlafsäcke wieder eingerollt waren und alles einmal mehr wasserdicht verpackt war, schoben wir unser Kanu erneut ins Wasser und machten uns daran, die nächste Etappe mit einer Länge von 60 km in Angriff zu nehmen. Nach etwa einer halben Stunde auf dem Wasser sollte laut Karte ein kurzer Trail mit einfachem Zugang zu einem kleinen Wasserfall vom Flussufer aus erreichbar sein. Uns allerdings versperrte dichtes Gestrüpp den Weg vom Ufer nach oben und der kleine Creek, der von den Wasserfällen kommen sollte, war mit Treibholz, Ästen und entwurzelten Bäumen regelrecht verbarrikadiert, sodass dieser Weg nur unter großer Anstrengung passierbar gewesen wäre. Da wir nicht sehen konnten, wie der Zugang 10 Meter weiter oben aussehen würde, entschieden wir uns gegen den Versuch dem Creek weiter flussaufwärts zu folgen, kehrten schließlich um und liefen zum Kanu zurück. Die frischen Grizzlyspuren im Sand bekräftigten uns nur noch darin, möglichst schnell wieder auf den Fluss zu kommen und uns weiter flussabwärts zu bewegen.
Gegen 14 Uhr meldete sich bei uns schließlich der kleine Hunger. Schließlich gab es seit dem Frühstück lediglich einen Müsliriegel für jeden. Also machten wir uns auf die Suche nach einem Platz, um unsere Outdoorküche aufzubauen. (Für unseren kleinen Gaskocher eignet sich letztlich so ziemlich jeder Ort, allerdings war es bei dem teilweise doch recht steilen Ufer gar nicht so einfach überhaupt anlanden zu können) Wir fanden einen kleinen Zufluss mit klarem Wasser und steinigem Ufer. Perfekt um den Kocher aufzustellen und den Abwasch zu erledigen. Die Elch- und Bärenspuren entdeckten wir erst später.
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Unser heutiges Camp errichteten wir am Zusammenfluss des Yukon mit dem Teslin River, an einer alten Telegrafenstation. Unvorstellbar unter welchen Bedingungen Menschen vor über 100 Jahren hier lebten, um die einzige Kommunikationsmöglichkeit der Goldgräber und Abendteurer mit der Zivilisation aufrechtzuerhalten.
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Hier entdeckten wir Kratzspuren an einem Baum, die eigentlich auch wieder nur von Bären stammen konnten. Auch wenn diese Spuren schon etwas älter aussahen, war die Nacht doch eher unruhig und bei jedem Geräusch lag ich wie versteinert im Schlafsack, die unterschiedlichsten Geräusche interpretierend. Der riesige Bär neben unserem Zelt stellte sich am nächsten Morgen als harmloses Eichhörnchen heraus, das sich wohl einen Spass daraus gemacht hat, unerfahrene Stadt- und Dorfkinder zu erschrecken. Der Morgen war darfür umso schöner und bei Kaffee und Sonnenschein sieht die Welt doch gleich wieder viel freundlicher aus. Unsrer Ausrüstung hatten wir inzwischen routiniert zusammengepackt und so machten wir uns heute schon früh auf den Weg.
Der Yukon war inzwischen durch das zusätzliche Wasser des Teslin Rivers auf fast die doppelte Breite angewachsen. Und auch das Wasser selbst hatte sich verändert. War der Yukon im Oberlauf noch glasklar und von kleineren Stromschnellen durchzogen, floss er jetzt ruhiger, aber immer noch mit rund 10 km/h dahin. Das Wasser ist durch den Sediment führenden Teslin trüber geworden und am Ufer sahen wir immer weniger Adler auf Beute warten.
Am Abend des dritten Tages schlugen wir unser Zelt wieder auf einer Insel mitten im Fluss auf. Trotz der relativ geringen Wahrscheinlichkeit hier auf ungeladene Gäste zu stoßen, machten wir unser Camp nach der bekannten Methode bärensicher. Nach einem warmen Essen und einer Runde Gummibärchen kam am Lagerfeuer richtige Abenteuerstimmung auf. Hier gab es keinerlei Anzeichen von Zivilisation. Keine Feuerschalen, keine Picknicktische und kein Outhouse. Unsere Toilette mussten wir mit dem Spaten selbst graben. Aber wo bitteschön hat man beim Zähne putzen schon solch einen Ausblick?
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Die Nacht wurde mit 3 Grad richtig kalt. Unsere Schlafsäcke machten ihre Sache aber gut und die luftgefüllten Isomatten isolierten uns vom kalten Boden. Nach unserer schon eingeprobt wirkenden Morgenroutine packten wir nach der obligatorischen Tasse Instantkaffee unser Kanu und machten uns auf zur vorletzten Etappe. Unterwegs kamen wir an einem verlassenen Schaufelraddampfer vorbei. Leider war die Strömung zu stark, sodass wir den einzigen Punkt zum Anlanden verpassten. Der Kahn zog an uns vorüber und gegen die Stömung anpaddeln - keine Chance. Schaufelraddampfer wurden zur Zeit des Goldrausches vor über 100 Jahren zur Personen- und Güterbeförderung genutzt. Teilweise waren die Schiffe in den Sommermonaten die einzigen Fortbewegungsmittel im Yukon oder in Alaska, wenn man sich nicht auf Pferden oder zu Fuß durch die dichten Wälder kämpfen wollte. In den Wintermonaten wurden die teils mehrere Dutzend Meter langen Fahrzeuge mittels Muskelkraft und Pferdestärken an Land gezogen, um nicht vom zufrierenden Fluss zerstört zu werden. Dieser wurde wohl nicht mehr aus seinem Winterquartier zurückgeholt und dem Zerfall preisgegeben.
Weiter flussabwärts kamen wir an mehreren alteren Waldbrandgebieten vorbei, an denen sich vor teilweise mehr als 30 Jahren die Naturgewalten entladen haben. Trotzdem ragen noch heute die verkohlten Stämme der damaligen Brandopfer in den Himmel. Das Grün, kommt von unten nur sehr langsam nach.
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Unser letztes Nachtlager errichteten wir ungefähr 50 km vor unserem Endziel am Big Salmon Village. Unterwegs kamen wir noch am Little Salmon Village vorbei, einem inzwischen verlassenen Dorf, welches von Goldsuchern und Abendteurern vor über 100 Jahren gegründet wurde. Heute erinnern nur noch ein paar verfallene Blockhütten und der Friedhof an diesen Ort. Trotzdem lassen sich bei genauerem Hinsehen noch ein paar Utensilien, wie Kochtöpfe und Öfen oder alte Möbel der damaligen Zeit entdecken.
Nach unserer letzten Nacht machten wir uns auf zu unserer letzten Etappe, die uns an einer alten Dredge, also einem Schwimmbagger zum Goldschürfen vorbeiführen sollte. Leider war davon seit dem letzen Hochwasser nichtmehr allzuviel übrig. Nur die Waschtrommel, Teile des Motors und einige alte Wellen und Lagerböcke schauten noch aus dem Sand heraus. Trotzdem war es für uns interessant die Geschichten und auch Schicksale hinter den jeweiligen Hinterlassenschaften zu erfahren.
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Hier gibt sich die Regierung des Yukon Territory wirklich Mühe, diese Zeitzeugen der Geschichte des Yukon zu bewahren und zu schützen. (Gegen die Natur ist aber auch der beste Schutz machtlos). Für uns gingen 5 Tage Abendteuer in der Wildnis auf diesem Fluss mit dem Anlanden am Big Salmon Village, einem für die First Nation rituellen Ort, mit dem Ausladen unserer Ausrüstung aus dem Kanu und dem Verladen eben diesem auf das Dach eines Minivans zu Ende. Die Fahrt zurück nach Whitehorse dauerte ca. 3 Stunden und endete auf dem Campingplatz an dem Julia und Jakob schon an unserer Dori auf uns warteten. Als Begrüßungsessen gab es Schichtfleisch aus dem Dutch Oven und zusammen mit Moni und Manni von Trackpoints 4x4 feierten wir unsere Rückkehr in die Zivilisation. Leute, ich kann euch gar nicht sagen wie sehr ich mich auf die Dusche an diesem Abend gefreut habe.

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